Tagebuch einer Enukleation

Leben mit einem Glasauge, Probleme, Erfahrungen, Umgang, Pflege und Erlebnisse.
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Oliver
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Tagebuch einer Enukleation

Beitrag von Oliver »

Vorstellung
Ich bin Oliver aus Koeln, 55 Jahre und beabsichtige hier meinen Weg zum Glasauge (oder auch nicht) zu beschreiben. Im Moment spiele ich, mal wieder, mit der Idee mein blindes Auge entfernen zu lassen.

Hierbei habe ich noch einige Fragen und Unsicherheiten, die ich in näherer Zukunft abklären möchte. Ich habe in den letzten Tagen fast das gesamte Forum durchstöbert und mir viele Fragen notiert die sich daraus ergaben um diese nächste Woche bei meiner (neuen) Augenärztin und wohl auch im Anschluss hier zu diskutieren.

Unfall
Es war zwei Tage vor meinem 10ten Geburtstag, ich lief von unserem Kinderzimmer zum Treppenhaus um eine Etage tiefer, in der Küche, etwas zu Trinken zu holen. Mein Bruder, damals 11 Jahre, experimentierte am Fenster zu einem Flachdach, wo er WC-Reiniger und Wasser in eine Glasflasche gefüllt hatte. Ich fragte was er da mache. Er berichtete mir und ich verstand sofort: Die Flasche wird gleich explodieren (Schaumbildung und dadurch Überdruck in der Flasche).
Ich schrie ihn an er solle die Flasche sofort aus dem Fenster schmeissen, drehte mich mit dem Rücken zu ihm, hielt die Hände vor mein Gesicht und bückte mich. Das letzte was ich sah, war die Flasche, direkt vor meinen Augen, die mir mein Bruder unter die Nase hielt.
Ich erinnere mich, das ich "wach" wurde von meinem eigenen schreien, öffnete die Augen und sah, meine blutigen Hände.
Ich habe noch einige Erinnerungsfetzen, bevor ich zu meinem Geburtstag zweit Tage später wieder die Augen öffne und auf dem Bettschränkchen im Krankenhaus einen Geburtstagskuchen sah... .

Ausgangsdiagnose und kurzfristige psychologische Folgen
Das Auge war glatt durchschnitten. Wurde aber wieder zusammengeflickt. Glaskörper war verloren und durch Silikon ersetzt. Ein Ring aus Silikon um das Auge gelegt um es zu stabilisieren. Der Ring ist heute noch um das Auge gelegt.
Ein Grossteil der Iris war verloren und ich dadurch extrem Lichtempfindlich. Die ersten zwei Jahre bin ich kaum rausgegangen wenn es hell war. Ich konnte die Augen kaum öffnen, so schmerzhaft.
Die Linse war auch zerstört. Die Netzhaut funktionierte noch. Mit Linse (Brillenglas oder Kontaktlinse, hätte ich sogar recht gut sehen können auf dem Auge, was aber immer nur bei Untersuchungen der Fall war. Es war eine Kontaktlinse geplant, die ich aber wegen Komplikationen nie erhalten habe.
Eine narbe Quer durchs Gesicht zeugte davon, wie viel Glück ich hatte, das ich überlebt habe.
Im Verlauf der Jahre hatte ich zunächst panische Angst vor allen Sprühdosen, Deos, Farbdosen und vor allem aber Sektflaschen. Diese Angst habe ich heute immer noch ab und an.
Dennoch habe ich mir das Tauchen als Hobby gesucht und gehe selbst mit 200 Bar Pressluft gefüllten Tauchtanks ins Wasser. Dabei kann ich die Angst heute fast völlig vergessen. Soweit wieder ok.
Zu Sylvester kann ich zwar eine Flasche Sekt öffnen aber lieber überlasse ich das anderen, mein Mann weiss das und er geht meist in die Küche und kommt mit eingeschenkten Gläsern zurück :-) Also eigentlich an der Stelle auch alles ok.

Nach dem ersten Krankenhausaufenthalt von 6 Wochen, war ich der Star auf dem Pausenhof. Alle Freunde sassen neben mir und schauten mit auf den Pausenhof, wo alle Spielten. Ich durfte mich noch nicht beteiligen, selbst lesen war verboten um die Augen nicht zu viel zu bewegen. Sie sassen neben mir, sie wollten nicht das ich mich ausgeschlossen fühlte. Das war toll! Eine dunklere Sonnenbrille half gegen die Helligkeit. Ab und an, wenn es abends dunkel war, habe ich mir eine Lupe vors Auge gehalten und konnte damit sogar scharf sehen. (Nebenbei bemerkt, mein rechtes Auge war damals sehr gut und hatte 180% Sehvermögen, was alle Augenärzte so erstaunte, das sie mich immer wieder fragten ob ich die Zahlen und Buchstaben auswendig gelernt hätte :-)

Einaeugigkeit
In der ersten Zeit musste ich mich an das fehlen der räumlichen Wahrnehmung gewoenhen.

Treppen
Treppen herunter laufen feuerte immer wieder zum stolpern, da ich die Abstände der Stufen nicht einschätzen konnte. Heute ist das Überhaut kein Problem mehr. Heute würde ich Treppen eher nicht runterrennen, weil die Knie das nicht mehr mitmachen:-)

Getränke eingiessen
Das Eingiessen von Tee aus einer Kanne, das eingiessen von Wasser in ein Glas querten immer zu einer Überschwemmung. Heute setze ich die Flasche/Kanne einfach am Glas/Tasse an und wenn es anstösst weiss ich das ich über der Öffnung bin. Bei Restaurantbesuchen oder teuren Gläsern schaue ich von oben auf die Öffnung und sehe dann auch ohne Berührung ob ich darüber bin, ohne also teure Gläser am Rand kaputt stossen zu müssen.

Pseudoräumliches sehen
Wenn ich Abstände einschätzen muss bewege ich oft den Kopf ein wenig hin und her und sehe dann, durch die Verschiebung von Vordergrund zu Hintergrund, kurzzeitig räumliche Tiefe. Jedenfalls kann ich so bis etwa sieben Metern Abstände gut einschätzen.

Badminton Spielen, nach gehör
Selbst Badminton kann ich ganz gut spielen. Allerdings nur in einer ruhigen Umgebung. Offensichtlich schätze ich, unbewusst, den Abstand zum Spielball durch das Geräusch sehr gut ein. Allerdings kann man mich austricksen. Schmetterbälle, die sind laut, bekomme ich alle. Stoppbälle hingegen machen kaum Geräusche und die verfehle ich dann meist.

Eingeschraenktes Gesichtsfeld
Das ich Linksseitig ein eingeschränktes Gesichtsfeld habe vergesse ich meist. Ich laufe immer auf der linken Seite, wenn ich mit Freunden unterwegs bin. Auch habe ich einen "Ausfallschritt" hinter einem Menschen vorbei, um schnell die Seite nach links zu wechseln, wenn mal wieder einer auf der rechten Seite von mir läuft. Das bekommen die wenigsten noch bewusst mit.
Nur ein Freund von mir ist taub auf dem linken Ohr. Auch er macht genau den gleichen Ausfallschritt. Am Anfang haben wir uns ständig gegenseitig umrundet. Wir haben uns drauf geeinigt, das ich links laufen darf, damit ich sehe wenn es abbiegt oder stehen bleibt und dafür rede ich sehr lauf auf der Strasse. Im Restaurant oder wenn wir sonst wo sitzen, dann möglichst gegenüber. So kann ich ihn sehen und er mich hören :-)

Einaeugiges Autofahren oder Motorradfahren
Einige berichten, das sie beim autofahren Probleme haben. Ich nicht. Ab und an übersehe ich etwas, das von Links kommt. Einen Unfall hatte ich aber deshalb noch nie. Ich fahre altersbedingt (Lach: Midlifekrise?!) einen Sportwagen und liebe es auch sehr schnell zu fahren (ich gestehe) und bei hohen Geschwindigkeit ist es ohnehin völlig egal ob man ein oder zwei Augen hat, da einem ab 10 Metern Abstand auch ein zweites Auge nicht hilft den Anstand besser ein zu schätzen. Und bei höheren Geschwindigkeiten sollte man schon weiter vorausschauen.
Auch das einschätzen einer Parkbucht ist kein Problem. Im Vorbeifahren verschieben sich Vordergrund und Hintergrund so gegeneinander, das ich die Abstände daraus nicht nur Abschätzen, sondern "sehen" kann... . Also: Alles Problemlos.
Auch fahre ich Motorrad. Ich halte schlicht meinen Kopf leicht nach links gedreht um das fehlende Gesichtsfeld etwas zu kompensieren. Ich rase nicht, fahre sehr zurückhaltend, vorausschauend. Das sollte ein Motorradfahrer ohnehin tun. Bisher unfallfrei.

Was ich sagen will: Das ich nur ein funktionierendes Auge habe war anfänglich etwas ungewohnt und schon sehr bald habe ich für alles ausgleichende Tricks gefunden. Überhaupt kein Problem mehr.

Medizinische spätere Komplikationen
Schon im ersten Jahr nach dem Unfall fing meine Narbe im Gesicht an extrem zu schrumpfen. Mein Körper neigt wohl dazu. Hierdurch wurden die Augenlieder auseinander gezogen. Ich hatte keinen Liedschluss mehr. Das Auge stand auch nachts sehr wie offen. Schlafen ging nur mit einem "Uhrglasverband", sonst wäre es über nacht ausgetrocknet. Cortisonbehandlung, etc.
Leider schrumpften auch die Narben auf der Netzhaut. Es folgten zwei Operationen bei der die Netzhaut wieder angelegt wurde, die durch die Narben abgerissen wurde. Erfolglos. Grossflächige Netzhautabloesung war die Folge. Nur noch hell dunkel an einigen wenigen stellen der Netzhaut konnte ich wahrnehmen. Die Hoffnung irgendwann mit einer Kontaktlinse doch wieder sehen zu können war dahin. Ich fand es aber nicht so schlimm. Ich kann ja trotzdem sehen.
Zudem war damit die sehr schmerzhafte Lichtüberempfindlichkeit endlich nicht mehr da. Also insgesamt eher eine Erleichterung :-)

In den darauffolgenden Jahren stieg der Augeninnendruck. Insgesamt 3 Operationen mit Vereisung der Flüssigkeit produzierten Zellen im Augeninneren um den Druck wieder zu senken. Erfolglos.

Seit her immer mal wieder Druckattacken. Augen zu. Hinlegen. Abwarten. Kopfschmerzen aushalten. Manchmal auch zwei Tage am Stück.
Aber alles so, das es dennoch auszuhalten war. Ich habe mich ein wenig daran gewöhnt.
Vor allem Lesen triggert das auch heute noch. Ich habe manchmal das Gefühl, das das Auge so groß wie ein Tennisball ist und fühle den Druck. Was etwas hilft: Atropintropfen. Habe da ein Dauerrezept.

Jugend und Aussehen
Das mein Auge eigentlich immer schon graublau ist und ich eine grosse lange Narbe senkrecht über die Wange und bis zur Augenbraue habe hat mich nie gestört, Wasser zu der Zeit, wo die Narbe so stark geschrumpft war, das das Auge sehr entstellt war durch das "Aufgerissene" Auge, das schon verboten aussah, was nach der Cortisonbehandlung aber wieder ok war. Da war ich ja auch erst ca. 11 Jahre.

Durch den hohen Augeninnendruck, meist so um die 40, manchmal höher, ist die Hornhaut, die von einer Schicht Zellen auf der Innenseite mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt wird, in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Hornhaut ist im laufe der Jahre immer trüber geworden. Graublau.

Erste sexuelle Aktivitäten und Flirten
Meine Narbe und das graublaue Auge, das sich aber völlig synchron mit dem gesunden bewegt, waren nie ein grosses Thema. Ich stehe auf Männer und es gab mir immer ein etwas verruchtes Aussehen, was oft sehr gut ankommt. Es ist auch ein guter einstieg in ein Gespräch. "Was hast du denn da?". "Was ist denn dir Passiert?" Etc. Auch waren mal Bemerkungen dabei wie: "WOW! Wo hast du denn das Auge her? Das sieht ja krass aus. (Es leuchtet leicht bei Schwarzlicht). Wo kann man sowas machen lassen? Und wie teuer ist das? Als ich meinte das das n Unfall war, fiel dem Gegenüber das Gesicht fast bis zum Boden. Ich finde das dann eher Lustig. Und ein Lachen an der Stelle befreit auch das Gegenüber aus der Peinlichkeit:-)

Reaktionen anderer aus mein Aussehen
Allerdings fand ich es manchmal schon nervend, drei bis fünf mal am Tag erzählen zu müssen, wie es kam und was mein Bruder da veranstaltet hatte. Im Laufe der letzten Jahre, eigentlich seit ich so etwa 40 bin, fragt kaum noch einer. Evtl. trauen sich Menschen das bei älteren Mitmenschen nicht so sehr wie bei jüngeren? Evtl. habe ich mich auch verändert? Ich weiss es nicht. Jedenfalls fällt das "Siezen" und das nicht mehr "nachfragen" zeitlich zusammen ,-)
Immer wieder werde ich auf der Strasse angeglotzt. Das nehme ich aber meist nicht mal mehr zur Kenntnis. Die Meisten die ich kennenlerne fragen einmal. Ich erzähle meine Geschichte und spätestens nach einer halben Stunde sehen sie nur noch in mein gesundes Auge und sagen selber, das sie mein kaputtes Auge garnicht mehr wahrnehmen. Ich denke eigentlich auch so gut wie nie daran, ausser es tut weh.

Erste Idee zu Augenentfernung und Unsicherheit darüber
Vor einigen Jahren wurde es aber immer schlimmer. Bläschen auf der Hornhaut können durch Wind, kalte Luft oder Müdigkeit entstehen. Das ist dann sehr schmerzhaft geworden. Vor allem wenn das Augenlied darüber fährt.
Ich wollte es eigentlich entfernen lassen. Wäre mir gleich gewesen. Glasauge wäre ok gewesen. Allerdings habe ich damit ein einziges Problem. Mein jetziges Auge bewegt sich sehr schön mit. Es ist blaugrau und alle können sehen, das es Blind ist. Ich selber und viele andere stören sich aber nicht daran und ich finde mich so wie es ist ok, irgendwie ist es auch "Sexy", etwas verrucht. Es macht mich auch, zumindest optisch, eher besonders. Ich bekomme Aufmerksamkeit und ab und an auch Mitleid, was ja auch ganz gut tun kann.
Ein Glasauge bewegt sich nicht so gut mit und wenn man ums Eck schaut bewegt sich das Glasauge nicht gut mit. Also "schielt" mann damit. Und damit habe ich tatsächlich ein grosses Problem. Ich weiss, das ich Menschen die Schielen immer anglotzen muss. (Obwohl ich es selber nicht mag so angesehen zu werden). Wahrscheinlich auch deshalb habe ich damals einen Okularisten aufgesucht.

Okularisten in "Panik" versetzen :-)
Meine Idee: Ich könnte mir sehr, sehr gut vorstellen, das ein Glasauge nach meinem jetzigen blinden Auge gestaltet wird. Blaugrau mit leichten schlieren. (Es dürften etwas weniger schlieren sein als jetzt. Und auch der Augapfel dürfte etwas weniger gerötet sein.)
Auch kenne ich mich eigentlich nur so im Spiegel und kann mich nicht erinner, wie ich mit zwei gesungen Augen aussehe. Ich weiss wie Menschen auf mich reagieren und ich kann sehr gut damit umgehen.
Das Schielen mit einem Glasauge, das aussieht wie ein echtes, Gaube ich zumindest, verunsichert mein Gegenüber. Und ich denke immer, das die mich für blöde halten oder für behindert. Das macht mir grosse Unsicherheit.
Als ich deshalb bei einem Okularisten war und ihn schliesslich auch fragte oben er ein Auge machen könne, das so aussieht wie mein krankes (schliesslich gibt es im Namen der Rose auch den Blinden und der Schauspieler trägt mit Sicherheit auch eine Schale über seinen eigenen Augen, die ja irgendwer angefertigt hat) da rastet er aus und läuft wie wild im Raum umher und kann sich kaum beruhigen.
"Wie schaut das denn aus? Das ist ja furchtbar? Hässlich! Nein, das mache ich nicht! Was sollen denn die Ärzte denken?"
Echt jetzt? Immerhin ist es ja mein jetziges Aussehen. Hässlich? Nein! Ich finde es gut und einzigartig so wie es ist. Und ich kenne mich nur so. Ich würde gerne so bleiben wie ich bin. So dachte ich selber.
Aber gut. Es ist wohl so in seiner Berufsehre gekränkt gewesen, das er sich das beim besten willen nicht vorstellen konnte, das das mein Wunsch ist. Aber: Ich denke das mein Wusch stärker wiegt als seine Berufsehre. Einen weiteren Okularisten habe ich aber nicht mehr aufgesucht, da ein damaliger Augenarztbesuch und der Besuch der Uniklinik meine Recherche an der Stelle unterbrochen hatte.

Hornhaut wieder in Ordnung bringen
Bei den Besuchen bei meiner alten Augenärztin und der Überweisung in die Klinik Koeln-Mehrheim, wo ich schon so oft operiert wurde, gab es eine weitere Option, die die Amputation evtl. unnötig machen würde: Eine Operation bei der ein Entkalkungsmittel, also Säure, auf der Hornhaut zur "Entkalkung" gegeben wurde. Bei der OP, lokal betäubt, hatte ich zum ersten mal einen Eindruck, wie hoch der Augendruck tatsächlich ist. Ich hörte, wie das Skalpell auf der Hornhaut richtig den Kalk abkratzte, wie es sich eben anhört, wenn man mit Metall auf Stein kratzt. Ich dachte, das das Auge viel weicher ist und nachgibt. Die Hornhaut war aber offensichtlich Bretthart, beziehungsweise Steinhart, um im Bild zu bleiben.
Das hat mir sehr eindrücklich demonstriert, wie ein hoher Augendruck tatsächlich ist :-)
(Es war ja unter Betäubung, hat also nicht weh getan, falls jetzt einige einen Schreck haben sollten.)

Erneute Schmerzen
Danach war es wieder Länger ok. Es bildeten sich aber im laufe eines Jahres wieder erste Kalkablagerungen.
Meine sehr sehr gute Augenärztin der letzten Jahrzehnte hat mich immer wieder in die unterschiedlichen Kliniken verwiesen, wenn es nötig war und immer sehr gut betreut. Jetzt fängt es wieder an öfters weh zu tun. Kopfschmerzen, Bindehautentzündungsgefühl, Brennen der Hornhaut, Fremdkörpergefuehl auf der Hornhaut sind fast an der Tagesordnung. Ich denke, das ich auch oft einfach gelernt habe das zu ignorieren. Seit Dezember führe ich jetzt mal ein "Schmerztagebuch" und stelle fest, das ich tatsächlich fast täglich Schmerzen habe. zwischendrin aber auch mal vier oder fünf Tage völlig Beschwerdefrei. Mal nur kurzfristig. Nie wirklich unaufhaltbar. Schmerzmittel nehme ich keine. Der doch...

Aktueller psychischer Stand
Nach Corona habe ich mich sehr aggressiv anderen Menschen gegenüber verhalten. Auch Kunden gegenüber. Mein Kompagnon hat sich drastisch bei mir beschwert. Also habe ich aus aktuellem Anlass einen Psychologen aufgesucht, den ich nur wärmstens empfehlen kann. Bei der Gelegenheit habe ich dann auch gleich mal das Thema mit meinem Bruder angesprochen. Verstecken ging ja eh nicht, da er natürlich gleich fragte, was mit meinem Auge sei :-)

Dabei ist mir aufgefallen, das mein Bruder mich als Säugling mit einer Schnur um den hals bereits an der Gardine erhängt hatte und mich meine Mutter noch rechtzeitig gefunden hatte, ich war bereits blau angelaufen. Sie suchte mich, weil es so auffallen still war. (Mein Bruder ist nur elf Monate älter als ich). Und er krabbelte gerade vom Vorhang weg und da schaute sie dahinter.
Auch hat er mich als ich ca. neun war beim Spielen schwer am Rücken verletzt. Längere Geschichte. Ich sprang von einer hohen Mauer auf ein Brett, das wie eine Wippe aufgestellt war, um meinen Bruder in die Luft zu katapultieren. Hatten wir im TV im Zirkus gesehen. Und bei der x-ten Wiederholung meinte er, die Höhe wurde stets gesteigert, ich solle mich viel steifer machen. Ich sprang und im letzten Moment sprang er zur Seite. Ich landete stocksteif aus ca. drei meter Höhe auf einem Brett, das keinen Widerstand mehr bot... . Ungespitzt in den Betonboden gerammt, sozusagen. Habe heute noch gerne Rückenschmerzen... .
Das er mit mit einer Holzlatte im Spiel auf die Nase schlug und das Blut in einem grossen Bogen aus dem Nasenrücken schoss ist nur eine weitere Geschichte. Eine Nachbarin brachte mich sofort zum Arzt in der Strasse gegenüber, der mich wieder zu Nähte. Das ich danach kaum noch Luft durch die Nase bekam war nicht aufgefallen. Erst in der Therapie wurde mir das klar. Habe also Anfang dieses Jahres eine Nasen-OP machen lassen. Jetzt kann ich auch durch die Nase atmen :-) Sehr befreiendes Gefühl.

Das ich immer wieder schmerzen im Auge habe und die Hornhaut so langsam an wieder zicken macht, auch wenn noch nicht so schlimm wie schon einmal vor der letzten OP, ist gerade Thema. "Kein Mensch muss andauernd Schmerzen erdulden...", sagte er... . Und ich glaube er hat recht. Allerdings bin ich an der Stelle sehr empfindlich. Er stimuliert mich sehr die alte Idee, das Auge entfernen zu lassen, neu an zu gehen. Für meinen Geschmack etwas zu sehr.

Daher meine Idee des Schmerztagebuches. Und ja, es ist dann doch fast täglich. Dennoch bin ich noch nicht so überzeugt wie vor der letzten OP, das es jetzt einfach Zeit wird es raus zu holen.

Schielen als psychisches Problem?
Es bleibt der Punkt mit dem "Schielen", was ich weitaus schlimmer finde als ein graublaues, blindes Auge, das sich aber sehr sehr schön mitbewegt.
Auch finde ich ein verändertes Aussehen problematisch. Ich mag mich so wie ich bin. Und ich weiss mit anderen und der Situation um zu gehen. Ich kann mit noch nicht so richtig vorstellen wieder zwei braune Augen zu haben.
Andererseits. Seit einiger Zeit trage ich ohnehin eine Gleitsichtbrille. Und die zwing mich ohnehin häufiger den Kopf auf das aus zu richten, was ich ansehen möchte...? Evtl. stelle ich mir das mit dem Schielen viel zu heftig vor? Evtl. überwiegt auch ein "normales" Auge und ist das schielen ja nicht so schlimm? Evtl. reagieren Menschen nicht darauf?
Andererseits sehe ich immer sofort, wenn einer ein Glasauge hat. Zumindest bei denen, wo es sich eben nicht richtig mitbewegt. Ich habe schon bei Youtube geschaut. Aber es gibt meist nur Filmchen, wie ein Auge hergestellt oder wie es rein und raus gemacht wird. Aber filmchen, wie sich ein Glasauge genau bewegt habe ich kaum gefunden...?
Habt ihr da einen Link für mich? Wohnt jemand in Köln, den ich gerne mal zum Kaffee einlade und wo ich mich überzeugen kann, das man es nach einer halben Stunde ohnehin nicht mehr merkt, das das gegenüber ein Glasauge hat? Das würde sicher helfen?

Auch meint mein Psychologe, das es evtl. sein könnte, das der Ersatz durch ein schmerzfreies Glasauge, wovon ich mittlerweile ausgehe, dank eurer zahlreichen Berichte, mich einen Schlussstrich unter ewig neue Operationen und schmerzen ziehen lässt.

Trauma des Unfalls
Auch könne es sein, das ich das Auge derzeit nicht mehr so einfach rausnehmen lassen möchte, da mein Bruder mich noch vor wenigen Jahren, als er eine Pleite hingelegt hatte, danach völlig übers Ohr gehauen hatte. Er hat mich nach meiner Finanziellen unterstuetzung um mehr als 20.000 Euro betrogen.
Vor diesem Betrug hatte ich kaum Probleme mit dem "Unfall". Ich hatte ein Problem damit, das er sich nicht entschuldigt hatte, das er so dumm war mir die Flasche trotz anschreien und Warnung vor der Explosion unter die Nase gehalten hatte. Das habe ich mit ihm im alten von ca. 20 Jahren mal besprochen. Wenig erfolgreich. Aber danach war es für mich "gegessen".
Aus seiner heutigen Sicht, also noch mal 35 Jahre später, wurde er nach dem Unfall von der gesamten Familie ungerecht behandelt und ich immer bevorzugt. Er wollte einfach eine ausgleichende Gerechtigkeit. Seit dem kann ich nicht mal mehr glauben, das es ein Kinderunfall war. Meine Sicht hat sich dahingehend geändert, das er wusste was passiert, wenn er das macht. Ich habe es, ja, mit neun Jahren, schließlich auch gewusst. Erst in der Therapie wurden mir die andern "Attacken" wieder bewusst.
Dennoch bin ich jetzt doch wieder auf gutem Wege diesen Vorfall als "Unfall" zu sehen. Auch wenn mein Bruder die Situation dahin ausnutzte mich in Todesangst zu versetzen. Nur so als Jungenstreich. Und das ist ärgerlich genug, aber aus einer föllig kranken Familiengeschichte nachvollziehbar.
Mein Bruder wollte mich immer schon "loswerden". Er wurde in eine sehr kranke Familie hineingebohren, wo es kaum etwas positives gab. Und das wenige musste er schon sehr sehr früh auch noch mit mir teilen.
Als der Unfall war, hatte er keine chance mit seiner "Schuld" um zu gehen. Statt dessen hat er gesehen, das ich später finanziell unterstützt wurde um im Ausland zu studieren und er nicht.
Dieses "Unrecht an Ihm" hat er dann durch Betrügereien "auszugleichen" versucht.
Ich denke, das er es nie geschafft hat mit seiner "Schuld" adäquat um zu gehen. Seine Wohnung gleicht der eines Messies. Ich hoffe er kann seinen Frieden machen.
In wie weit also das Festhalten an meinem Auge eine "andauernde Warnung" an meinen Bruder ist und ich deshalb nicht loslassen kann, obwohl ich das schon mal konnte, oder ob das nur eine Interpretation meines Therapeuten ist hinter der ich nicht stehe, weiss ich noch nicht. Ich werde berichten.

Jedenfalls will ich mir da drüber erst im klaren sein, bevor ich es aus falschen Gründen herausnehmen lasse, nur weil mein Therapeut das meint. Will ich also noch klären, bevor es soweit ist.

Aussichten
Nächste Woche erst noch mal zum Augenarzt und viele medizinische Fragen klären, die ich hier zusammengetragen habe.

Dann Termin mit einem anderen Okularisten wegen Herstellungsmöglichkeiten eines "blinden Glasauges". Alternativ kann ich ja mal sehen, wie ich mit einem "normalen" Glasauge zurechtkomme und mir die Option des "blinden Glasauges" noch offen halten, sollte mich ein normales Auge doch "stören". Aber evtl. gibt es die Alternative eines "blinden Glasauges" ja, was für mich schon mal beruhigend sein könnte.

Ich habe hier viel gelesen und mir eine Liste von Fragen gemacht, die ich nächste Woche mit meiner neuen Augenärztin besprechen möchte und natürlich auch mit meinem Therapeuten.

Daher dieser sehr lange Bericht, der Hoffentlich auch anderen Usern und zukünftigen etwas hilft, bei der Entscheidungsfindung und bei Fragen, die sie sich selber vielleicht noch nicht gestellt haben.

Ich werde berichten, was in der nächsten Zeit so alles passiert und wie es sich entwickelt.

Evtl. habt ihr ja schon die eine oder andere Antwort?

Nach nächste Woche werde ich jedenfalls noch eine menge Fragen haben.


lg

Oliver
Zuletzt geändert von Oliver am Sa 17. Feb 2024, 17:45, insgesamt 1-mal geändert.
Oliver
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Re: Tagebuch einer Enukleation

Beitrag von Oliver »

Hier noch meine Fragenliste, die ich aufgrund der hiesigen Forendiskussionen gesammelt habe und die ich nächste Woche mit meiner Augenärztin besprechen möchte. Evtl. habt ihr ja auch schon Antworten oder Links für mich?

Enukleation oder doch besser eine Eviszeration?

Ist die Beweglichkeit eines Glasauges wirklich besser bei einer Eviszertaion?

Wenn ja: Ist statt einer Enuklueation auch Eviszeration bei mir möglich?

Derzeit ist Silikon im Auge und ein Silikonring um das Auge eine Kontraindikation für eine Eviszeration?

Gibt es andere Gründe die für oder gegen eine Eviszeration sprechen? (Z.B. Mein vernarbter Augapfel o.Ä.)

Ist eine Enukleation auf lange Sicht medizinisch vielleicht doch besser als Eviszeration?
(Medizinische gute Entscheidungen gingen bei mir evtl. vor der guten Beweglichkeit.)


Sympathische Sehnerventzündung vermeiden

Bin ich mit meinem gesunden Auge "auf der sicheren Seite", bei beiden Verfahren (Enukleation vs Eviszeration), da ich zumindest keine symphatische Sehnerventzündung mehr bekommen kann. Und wie wahrscheinlich wäre das jetzt noch, da es schon 45 Jahre ohnehin "gutgefangen" ist?
Ist das überhaupt in die Betrachtung mit ein zu beziehen oder aber einfach irrelevant?


Langzeitaspekte

Ist ein Glasauge auch nach 15 Jahren oder mehr noch tragbar oder verändert sich die Augenhöhle, so das das irgendwann nicht mehr geht?

Was wäre in diesem Fall die Konsequenz?

Bilden sich die Augenmuskeln im laufe der Jahre zurück und schwindet damit die Beweglichkeit des Glasauges?

Ist es besser zu warten solange es geht (sagen einige Mediziner) oder eher Vorteilhaft jetzt schon auf Kunstauge zu wechseln, da der Okularist meint es gäbe dann eine weniger in Mitleidenschaft gezogene Augenhöhe, was deutlich besser wäre für die Anpassung eines Glasauges. Was stimmt?

Mein Oberlied wurde abgesenkt, da ich keinen Lidschluss mehr hatte. Ist das Evtl. ein Problem bei der Anpassung eines Glasauges?


Welches Implantat

Welches Implantat bewegt sich am besten mit und welche Implantate gibt es?

Auf ein Implantat mit Stift würde ich aus medizinischer Sicht (Infektionsrisiko) verzichten, auch wenn sich das Glasauge dann besser bewegen würde. Gibt es noch Alternativen?

Hydroxylappatit (Korallenplombe),oder Dermis Fett Transplantat (ist neuer), aber auch besser als die "klassischen" Plomben?
Keine Abstoßung aber soll schrumpfen?
Kann aber "nachgefüllt werden?
Ist das Kompliziert oder reicht eine Spritze mit Eigenfett?
Ist die Beweglichkeit damit die Beste die erreicht werden kann?
Wird aber nicht überall gemacht?
Langzeiterfahrungen, da noch neu, überhaupt vorhanden?


Die größe eines Implantates

Was wenn es nach der OP zu groß oder zu klein ist?

Kann ein falsches, zu großes, zu kleines oder irgendwie abgestoßenes, entzündetes Implantat ersetzt werden oder "war es das dann"?

Mache ich mir hier gerade einen Kopf und sollte ich das mal die Operateure entscheiden lassen?


Individuelle Probleme mit Narbenbildung nach der OP
Machen meine verzogenen Augenlieder und die Narbe Probleme bei der Anpassung eines Glasauges? (Guter Sitz?)

Meine starken Neigung zu Narbenschrumpfungen führt evtl. zu schlimmen Auswirkungen nach der Op? Wie kann diesen begegnet werden?


Erfolgsaussichten

Was sind Erfolgsraten, möglichen Risiken und Langzeitfolgen der unterschiedlichen Prothesen, die ich evtl. noch nicht kenne?


Operateur

Weiß ich vorher, wer die OP macht (kein Assistenzarzt?!)?

Wie finde ich einen guten Operateur? (Geplant ist Uni-Köln)

Ist es wirklich so eine komplexe Operation, dass ich mir da überhaupt einen Kopf machen muss?


Trockenes oder verschleimtes Glasauge
Manchmal sammelt sich hinter einer Glasprothese Tränenfüssigkeit und es fängt an zu „schleimen“. Ist dann ein Kunststoffauge, das nach Abdruck geformt wird und dann so passgenau sitzt das keine Ansammlung mehr von Flüssigkeit möglichst, die Lösung?


Ups: Was ne lange Liste.... .

Ich hoffe Sie hat Zeit ;-)


lg

Oliver
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Re: Tagebuch einer Enukleation

Beitrag von Oliver »

Und hier habe ich noch eine Dissertation gefunden, in der beschrieben wird, wie die Beweglichkeit des Glasauges von der Operation und Op-Technik abhängt.

https://rosdok.uni-rostock.de/file/rosd ... t_2009.pdf

Das ist wohl dann eine Frage an die Kölner Uni-Klinik. Ich hoffe ich bekomme am Mittwoch eine Überweisung an die Uni-Klinik um mich dort schlau zu machen.

Habe aber auch eine "Offene Sprechstunde" an der Uni-Klinik gefunden:

https://augenklinik.uk-koeln.de/zentrum ... prothetik/

Werde morgen früh mal gleich einen Termin dort machen und mich über Möglichkeiten aufklären lassen.

Und einen Termin beim Ocularisten mach ich auch gleich.

Ich werde berichten.

lg


Oliver
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Bits&Bytes
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Re: Tagebuch einer Enukleation

Beitrag von Bits&Bytes »

Hallo Oliver,

vielen Dank für deinen langen und eindrucksvoll geschriebenen Bericht über deinen Unfall und die lange Leidenzeit danach.
Besonders beeindruckt bin ich darüber, dass du nicht einen großen Klagegesang über die Ungerechtigkeiten anstimmst, die dir da widerfahren sind.
Dein Bruder scheint ja wirklich ein "Herzchen" zu sein, aber du findest trotzdem noch gute (ihn entschuldigende) Worte für sein destruktives Verhalten.
Ich habe selbst zwei Brüder, wir sind aber jeweils 5 Jahre auseinander und haben / hatten eigentlich, bis auf die Kindheit eher weniger miteinander zu tun.
Bei mir war der Augenverlust kein Unfall, sondern selbst verschuldet. Keinerlei Arztbesuche, bis zu einem Schlaganfall (2011) - wobei dann im Krankenhaus hochgradiger Diabetes Typ II festestellt wurde. Das linke Auge war da schon erblindet, aufgrund der exorbitanten Augendrücke bis 60. Der Augenarzt im Krankenhaus sagte mir schon damals, dass das Auge raus müsste, sobald ich (starke) Schmerzen bekäme, was dann nach ca. 5 bis 6 weiteren Jahren der Fall war.

Eviszeration war niemals Thema bei mir, daher kann ich dir wenig darüber sagen. Ich weiß, dass in den USA die Eviszeration bevorzugt wird, wenn es die Umstände zulassen. In DE gibt es so viel ich weiß (fast) keinerlei Erfahrungen mit dieser Form der Bulbusentfernung.
Das die Beweglichkeit bei einer Eviszeration größer wäre, liegt glaube ich auf der Hand.

Aber und das ist wohl die richtige Strategie, versuche alle deine Frage bei Augenärzten und/oder in der Augenklinik unterzubringen.
Eventuell kann ein niedergelassener Augenarzt diese aber auch gar nicht beantworten, denn der beschäftigt sich fast ausschließlich mit der Erhaltung der Sehkraft und nicht mit Augenentfernung, zumindest kann ich das von meiner Augenärztin sagen. :(

Ich kannte meinen Operateur, dieser hatte mir kurz vor der Entfernung des linken Auge, die Sehkraft des rechten Auges erhalten können, nach starker Einblutung, Glaskörperentfernung und Lasern um weiteren Einblutungen vorzubeugen. Dafür bin ich ihm immer noch sehr dankbar. Leider ist er inzwischen nicht mehr an der Universitätsaugenklinik Knappschaftskrankenhaus in Bochum, sondern ist nach Essen gewechselt.

Bitte berichte weiter - hier werden sich sicher noch andere melden.

Beste Grüße

Udo

PS: Das Photo zeigt mich am 1. Tag nach dem Einsetzen des 1. Glasauges beim Ocularisten in Essen. Die linke Augenhöhle ist noch etwas blutunterlaufen.
Man weiß nie wie stark man ist, solange bis stark zu sein die einzige Wahl ist, die man noch hat.

( Neovaskularisationsglaukom, linkes Auge Amaurose, Enukleation 03.02.2017, 1. Glasprothese 16.02.2017 )
Oliver
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Re: Tagebuch einer Enukleation

Beitrag von Oliver »

Hi Bits&Bytes,

danke für deine Worte. Ja, es war n ganzer Weg mich mit dem "Unfall" und meinem Bruder zu arrangieren. Dennoch hat die Geschichte jetzt deutlich mehr Impact als noch vor ein paar Jahren. Ich dachte ich schreibe ein wenig darüber, da ich beim durchlesen des Forums immer wieder medizinische Probleme oder wie Fremde auf ein Glasauge reagieren würden erörtert werden. Für mich ist es aber auch eine psychologische Frage, wie oben beschrieben. Ich denke, das das evtl. für einige andere auch so ist und hoffe anderen damit ein wenig zu zeigen, das man irgendwie damit umgehen kann. Auch wenn ich selber gerade noch nicht weiß, wie meine Entscheidung sein wird. Ich hoffe aber das es einige Gedanken gibt die mir und anderen Helfen sich zu sortieren.


lg


Oliver
Zuletzt geändert von Oliver am Do 22. Feb 2024, 00:13, insgesamt 2-mal geändert.
Oliver
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Re: Tagebuch einer Enukleation

Beitrag von Oliver »

Augenarztbesuch

Ich war bei meiner neuen Augenärztin. Ich habe geschildert, das ich gerade wieder darüber nachdenke das Auge entfernen zu lassen. Generaluntersuchung (Jährlich wiederholt) stand auch an. Mein gesundes Auge: Topp zustand. Glaskörper und Linse tipptopp. Netzhaut auch. Augendruck völlig normal. 100% Sehkraft mit Brille (Altersweitsichtigkeit). Hier also alles ok

Sie sah aber das meine Adern unter der N Netzhaut Ewas stark mäandern und ob ich evtl. Bluthochdruck habe...?
Da ich letztens an der Nase operiert wurde weiss ich, da nach der OP der Blutdruck öfters gemessen wurde, das dieser evtl. tatsächlich dauerhaft erhöht sein könnte. Wurde damals noch auf die Schmerzen nach der Nasen OP geschoben. Jetzt gibt es gleich zwei mal innerhalb von einigen Wochen einen Hinweis darauf. Ich hab mal n Der min für nächste Woche beim Hausarzt gemacht. Da denke ich Über mein Auge nach und merke, das der Blutdruck nicht ok sein könnte. Na, in meinem Alter fängt das wohl an... .

Schmerzen ausreichend für eine Entscheidung?
Ich führe seit ca. zwei Wochen ein Schmerztagebuch. Manchmal gibt es Tage, die völlig schmerzfrei sind. Aber es gibt auch Tage, wo sich mein linkes Auge wie ein Tennisball anfühlt (so groß) und die Hornhaut sehr gereizt ist und jeder Liedschluss sich anfühlt als hätte ich ein Sandkorn im Auge oder eine Bindehautentzündung. Ich hatte vor der letzten Hornhautentkalkung deutlich stärkere Schmerzen als jetzt... .
Sie miente, das es evtl. möglich wäre noch einmal eine solche OP zu machen, aber die Wahrscheinlichkeit das die Verkalkung nunmehr zu tief in die Hornhaut vorgedrungen ist evtl. einer erfolgreichen Wiederholung im Wege stehe. Evtl. könnte aber auch eine Glasschale auf dem kranken Auge die Hornhaut vor dem Liedschluss und damit vor Schmerzen schützen. Evtl. ist aber auch eine Eviszeration oder Enukleation eine Option.
Für die letzteren beiden Fälle, hier wurde sie sehr einfühlsam und vorsichtig, wären die Schmerzen aber evtl. noch nicht stark genug. Evtl. wäre ein Therapie mit einmal täglich Atropintropfen als Dauerversorgung eine bessere Alternative. Ich sollte noch mal in mich gehen, das Tagebuch weiter führen, die Tropfen ausprobieren und mir darüber klar werden.
Sie gab mir eine Überweisung an die Uniklinik Köln, die ich mir selber, für den Fall der Fälle schon ausgesucht hatte, gegeben und diese auch extra empfohlen, da diese und deutlich kompliziertere Fälle dort behandelt werden und ich dort gut aufgehoben sei. Die Uni-Augenklinik habe sich auf solche und ähnliche Fälle mit Gesichtsrekonstruktionen spezialisiert und betrieben in dieser Richtung auch entsprechende Forschung... .

Enukleation oder Eviszeration?
Die Eviszeration würde die Sklera (das weiße am Auge), ja erhalten aber ob das bei meinem Auge noch ginge müsste sich die Uni genauer ansehen. Es könnte sein, das die Vernarbung des Augapfels eine schlechte Grundlage für ein Glasauge darstellt. Sie bittet die Uni um ausführliche Diagnostik, sieht diese Möglichkeit bei meinem Auge derzeit kritisch ohne aber konkret zu werden. Sie weißt mich darauf hin, das bei einer Entzündung am verbleibenden Teil des Augapfels über den Sehnerv das gesunde Auge immer noch in Mitleidenschaft gezogen werden könne, da der beim Blinden Auge ja nicht gekappt würde.
Daher sieht sie die Wahrscheinlichkeit einer Enukleation deutlich höher, auch wenn die Beweglichkeit dadurch etwas schlechter ausfallen würde, da die schrägen Muskeln entfernt und n nicht am Implantat befestigt würden.
Jetzt ist für mich die bestmögliche Beweglichkeit eines Glasauges aber mit entscheidend. Die Medizinische Sicherheit natürlich nicht zu vernachlässigen.
Derzeit also eher eine Pattsituatkion.


Augenhöhle stabil?
Das mein Auge größer oder schrumpfen würde kann sie in beiden Richtungen verneinen. Damit würde auch ein herauszögern einer Operation beim derzeitigen Verlauf keine Nachteile mit sich bringen. Die Augenhöhle ist dadurch in einem guten Zustand und derzeit stabil. Das spricht eher dagegen das Auge zu entfernen.

Sie gibt mir zu bedenken, das sie schon öfters Augen entfernt habe (Sie war vorher in einer Klinik und hat sich jetzt als Augenärztin niedergelassen) und die Patienten dabei schon ganz anders von Ihren Schmerzen berichteten als ich. Ich meinte, das ich sooo lang gar nicht mehr warten würde. Das hatte ich schon mal.
Ok, ich hatte dann noch mal eine Abrasion (Entkalkung der Hornhaut) machen lassen und war dann beschwerdefrei. Doch jetzt fängt es wieder an, wenn auch immer wieder beschwerdefreie Phasen auftreten.
Sie miente, es sei endgültig und ich müsse mir da wirklich sicher sein. Nicht das ich mit einem wenig beweglichem Glasauge, was aber nicht unwahrscheinlich ist, evtl. unglücklicher bin und dann nicht mehr zurück könne.

Genau das ist der Punkt. Ich werde weiter sehen, was die Uni sagt... .

Ein Termin an der Uni habe ich auch: 13. Juni..... also in Geduld üben...

lg



Oliver
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Re: Tagebuch einer Enukleation

Beitrag von Oliver »

Besuch beim Okularisten

In Köln gibt es gleich drei Okularisten. Vor einigen Jahren hatte ich ja schon einen besucht, der etwas entsetzt war und völlig die Fassung verlor. Ich hatte weiter oben berichtet. Jetzt habe ich einen weiteren mit meine Fragen aufgesucht.

Augenschale auf erblindetes Auge setzen?
Er betrachtete das blinde Auge. Da meine Augenlieder durch die senkrechte Narbe, welche sich stak verkürzte, weit auseinander gezogen wurden war der Lidschluss vor einigen Jahren in einer OP verbessert worden. Das Auge kann ich zwar wieder komplett schließen, wichtig beim Schlafen und um das Auge mit einem kompletten Lidschluss gut zu befeuchten aber dennoch ist das Auge im normalen "Betriebsmodus" (normalem geradeausschauen) viel weiter geöffnet als mein gesundes Auge. Würde er eine auch noch so dünne Augenschale fertigen, würde sich das Auge mit Sicherheit nicht schließen lassen. Zudem würde bei einer solch dünnen Glasschale die Wahrscheinlichkeit von "Glasbruch" extrem steigen und folgeferletzungen mit Sicherheit nicht in meinem Sinn sein.Evtl. könnte eine Kontaktlinse helfen?
Ich musste verneinen. Das hatte ich schon mal ausprobiert und ist furchtbar gescheitert. Die Hornhaut ist viel zu uneben und vernarbt als das eine Kontaktlinse halten würde... . Diese Idee der Augenärztin, die Hornhaut vor dem Augenlied zu "schützen" ist also vom Tisch.

Enukleation oder Eviszeration?
Er hat beide Fälle unter seinen Kunden und kann bestätigen, das bei einer Eviszeration die Beweglichkeit deutlich besser sei. Allerdings ist bei einer Eviszeration der Augapfel deutlich kleiner als jetzt, da ja der Bereich der Hornhaut entfernt würde und nur die Sklera (Augenweiß) erhalten bliebe. Dadurch müsste ein Glasauge deutlich größer angefertigt werden um den Volumenverlust aus zu gleichen. Das sein aber kein Problem.
Auch erwähnte ich das bei der ersten OP nach dem Unfall eine Cerclage gemacht wurde. Dabei wird ein Silikonband um den Augapfel, zwischen den Augenmuskeln hindurch, gelegt. Es soll einer Netzthautablösung entgegenwirken, die sich aber im laufe der Jahre jetzt ohnehin abgelöst habe.Das Silikonband ist aber noch vorhanden. Ob dieses wieder entfernt werden könne oder müsse wusste ich aber nicht. Ob es einem Glasauge "im Weg" sein könne konnte er nicht beantworten. Uni Köln fragen... . Im Zweifelsfall würde dies eine Entscheidung für eine Enukleation erfordern, was wieder für eine weniger gute Beweglichkeit spricht.
Auch könne es sein, das der Augapfel durch das Bank so eingeschnürt sein könnte, das das Auge dadurch etwas länger geworden sein könnte. Mit den nötigen folgen für die Augenhöhle. Also etwas anderes als die Augenärztin sagte. Ich werde in dieser Richtung bei der Uni Köln bei gegebenem Anlass im Juni, nachfragen.
Auch sagte er, das bei der Enukleation zwar der gesamte Augapfel entfernt würde aber das Implantat größer sei als bei einer Eviszeration, was aber kein Problem sei. Er könne das in beiden Fällen ausgleichen.
Generell sei die Erfahrung, das ein Auswärtsblick, für mich als nach links aussen, immer schlecht abschnitte. Ein Blick nach innen, in Richtung Nase meist aber Problemlos. Man könne das mit ein wenig Übung austesten und im Alltag einbauen, so das es "unsichtbar" bliebe.

Ein blindes Glasauge?
Ein Schlüsselpunkt für meine Entscheidung ist die möglichst gute Beweglichkeit eines Glasauges. Er sagte, die könne er nicht vorhersagen aber sicher sei, das es nie so perfekt sei wie mit einem gesunden Auge. Immer deutlich weniger. Aber bei normalen Bewegungen, zum Beispiel bei einer Unterhaltung, schaue man ohnehin eher geradeaus und da würde man es ohnehin nicht merken.
Ich sagte, das ich bereits bei einem Kollegen war und er sich nicht erschrecken solle aber ich würde ihm einen Vorschlag machen über den er einfach mal in Ruhe nachdenken solle. Könnte er ein Auge machen, das so aussieht wie mein jetziges, blaugraues Auge. Also ein Auge nach der derzeitigen Wirklichkeit. Zunächst verneinte er, da die Rohlinge immer eine Iris hätten und mein Auge ja wohl unter der Hornhaut keine Iris mehr habe?
Ich meinte, ich sei es gewohnt und ich möge mich genau so wie ich bin. Ich wüsste auch, das meine Mitmenschen es nach eine halben Stunde nicht mehr sähen und mir einfach in mein gesundes Auge schauen, wenn ich mich mit ihnen unterhalte. Bei einem gesund aussehenden aber schlecht beweglichen Auge währen sie wahrscheinlich (ich habe ja keine Erfahrung damit) eher verunsichert und könnte mir vorstellen damit schwer umgehen zu können. Und für den Fall würde ein offensichtlich blindes Auge das sich nicht so gut mitbewegt auch dank der deutlichen Narbe (Ich nenne es einen "Schmiss") ohnehin als "Blind, also wie jetzt, identifiziert werden. Somit wäre es so wie jetzt. Und ich müsste mich auch nicht an ein neues Äusseres gewöhnen?
Da kam dann der Cheff hinzu. Und meinte es sei schwierig aus den vorgefertigten Augen ein Blindes zu machen. Evtl. könne man aber mit diesem und jenem Glas und dann noch das und das dieses Ziel erreichen. Chef und Okulars fingen mit Tüfteleien und Lösungswegen an... . Am Ende meinten sie, das es wohl eine Herausforderung sei aber es wohl möglich sein sollte. Sie würden ihr bestes Versuchen, sollte ich mich dafür entscheiden.
Besser sei aber folgender Kompromiss: Die ersten Glasaugen seien ohnehin eher Provisorisch und ich sollte es mit einem gesund aussehenden "ausprobieren". Wenn es dann nicht funktioniere könnten sie ein "blindes Auge" bauen.
Anschließend ging das Gespräch noch in Richtung Bezahlung. Kasse! Die muss zahlen! Schließlich würde die Kasse zunächst sowieso nicht erfahren, das sie das für mich in dieser Form machen würden. Und selbst wenn, so sollte ein psychologisches Gutachten (was mir mein Psychotherapeut wahrscheinlich geben würde) bescheinigen, das der Mehraufwand einer anschließenden Psychotherapie wegen nichtakzeptieren des Zustandes mit normalem Auge auf lange Sicht mehr kosten verursachen würde als der Mehraufwand für ein "blindes Auge". Sie sehen da kein Problem und wollen mir helfen, so gut es eben geht. Ein Obolus für die Kaffeetasse würde die Tüftelarbeit sicher beflügeln. Sie sahen es eher als eine Herausforderung... .
Die Idee ein Kunststoffauge evtl. einfacher auf Blind zu trimmen sei war ein Eigentor.Sie machen keine Kunststoffaugen und die sind daher sowieso viel schlechter, da neu so rau wie ein altes Glasauge, würden sich nicht so gut benetzen, etc. Aber die Idee würde ich dennoch mal einem Kunststoffaugenmacher vorlegen, da hier ja einige von eich auch sehr gute Erfahrungen mit Kunststoffaugen gemacht haben, wenn sie ein Glasauge nicht vertragen... .

Aber dennoch, ihr Engagement und Tüftelspass, das nenne ich doch mal n Wort. Ich bin sehr entspannt wieder nach Hause.


Filmchen von euren Augenbewegungen?
Hat einer von euch evtl. n Filmchen von sich, bei dem man sehen kann, wie gut oder schlecht sich eure Augen bewegen? Das wäre sehr hilfreich. Ich habe schon bei YouTube danach gesucht und so gut wie nichts gefunden... . Scheint doch zu intim zu sein. Kann ich auch verstehen. Aber fragen darf ich doch?


Ich habe in den nächsten Tagen einen weiteren Termin mit einem Okularisten. Dort darf ich einem Patienten mit Glasauge tief in die Augen schauen.
Ich werde berichten, was das mit mir macht.



bis dahin


lg

Oliver
Anna135
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Re: Tagebuch einer Enukleation

Beitrag von Anna135 »

Hallo Oliver,
herzlich willkommen hier im Forum!
Du hast ja eine beeindruckende Geschichte hinter dir.... und auch ganz viele Fragen ;)
Ich bin eine der wenigen hier, die eine Evisceration hatte. Warum bei mir eine Evisceration gemacht wurde statt Enukleation- weiß ich schlichtweg nicht. War mir auch nicht wichtig, ich hatte starke Probleme, auch psychische, und die Augenentfernung war mein ausdrücklicher Wunsch. Die gute Beweglichkeit nach einer Evisceration ist relativ. Ich weiß nicht, wie es nach einer Enu gewesen wäre. Die Bewegungen nach oben und unten funktionieren gut, links und rechts nicht sehr gut. Man gewöhnt sich an kleine Augenbewegungen und den Kopf immer mitzudrehen.
Nein, mir gefällt es auch nicht, dass es oft ausschaut als ob ich schielen würde, ganz und gar nicht. Aber ich hatte keine andere Wahl und hab mich damit abgefunden.
Wenn du von vornherein damit haderst, überlege es dir gut. Die Evisceration garantiert dir nicht unbedingt bessere Beweglichkeit, leider. Außerdem wird die Beweglichkeit auch vom angepassten Glasauge abhängen ( Sitz, Größe,...)
Alles Gute und lg Anna
Oliver
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Re: Tagebuch einer Enukleation

Beitrag von Oliver »

Hi Anna,

danke für deine deutlichen Worte! Das hilft sehr, wenn ich höre, das du zunächst auch damit haderst. Ich denke man kann sich an vieles gewöhnen. Aber wenn ich mir selber n Bein stelle, ist das etwas, wo ich mich später über mich ärgern könnte. Es wäre anders, wenn ich deutlichere Schmerzen hätte. Dann würde ich mich sofort entscheiden und zwar für die ENU/EVI. So werde ich deine Worte deutlich mitnehmen in meine Entscheidung.

Also noch mal danke für deine deutlichen Worte!

lg

Oliver
Oliver
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Re: Tagebuch einer Enukleation

Beitrag von Oliver »

Gestern Termin beim Zentrum für Augenheilkunde an der Uni Köln, Sprechstunde zur Augenprothetik.

Ein sehr junger Arzt beantwortet alle Fragen.

Enukleation vs Eviszeration
Prinzipiell sei eine Eviszeration möglich aber er würde in Anbetracht der Möglichkeit einer sympathischen Ophthalmie davon abraten um auf jeden Fall eine Gefährdung des gesunden Auges auch in der Zukunft aus zu schließen.
Der Unterschied in der Beweglichkeit nach Eviszeration und Enukleation sei eher gering als das ich dort drüber nachdenken solle. Auch sei ein Abwarten möglich. Entgegen der Okularisten würde mein Auge wegen des Silikons nicht schrumpfen und so evtl. auch bei längerem Warten die Augenhöhle und deren Bedingungen nicht verschlechtern. Warten oder jetzt operieren wäre aus seiner medizinischen Sicht egal und mir überlassen.
Die unterschiedlichen Implamtate seien eigentlich nur Koralle oder Dermis Fett. In meinem Fall unbedingt Koralle, wegen der besseren Ergebnisse bei der Beweglichkeit und das Dermis Fett, wie ihr ja auch schreibt, evtl. mal resorbiert und „nachgefüllt“ werden müsse, sprich, neue OP. In meinem Alter sei es aber unwahrscheinlich das ich stark abnehme und damit auch, das dabei das Fettimplntat mit abnimmt… . Andere Implantate seien veraltet oder in Deutschland nicht möglich. Dermis Fett eher die Variante, wenn Koralle aus irgendwelchen Gründen nicht funktionieren würde, abgestoßen würde, oder ähnliches.

Nachteile des Glasauges aus Sicht eines Jungen Arztes
Er sagte aber auch, das evtl. nach ca. vier bis fünf Jahren immer mal wieder nachoperiert werden müsse, auch bei Koralle als Implantat, da sich Fettgewebe der Augenhöhle gerne verändert, Stichwort Oberlidfalte. Da musste ich doch schlucken.
Auch sei es üblich, das das Auge viel weniger feucht sei als jetzt und ich mich auf künstliche Tränenflüssigkeit einstellen müsse. Da musste ich wieder schlucken.

Konklusio
Im Endeffekt meinte er, es ginge im Grunde darum ab zu wägen, ob ich Schmerzen oder ein Glasauge mit seinen Vor- und Nachteilen (Beweglichkeit, Nach-OP's, Trockenheit) haben möchte. Die Entscheidung läge bei mir und könne mir keiner abnehmen. Abwarten sei ohne Probleme möglich.

Ende Gespräch.

Ich bin mit 70% für behalten meines schmerzenden Auges und 30% für das Glasauge und seine optischen und medizinischen Nachteile, da wieder raus.
Zuletzt geändert von Oliver am Mi 28. Feb 2024, 23:33, insgesamt 2-mal geändert.
Oliver
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Re: Tagebuch einer Enukleation

Beitrag von Oliver »

Heute bei einem Okularisten gewesen, der eng mit der Uni Köln zusammenarbeitet.

Sehr freundlicher Empfang.

Glasschale über das erkrankte Auge
schließt auch er aus Platzgründen in der Augenhöhle bei mir aus. Die geschrumpfte Narbe die durch die Augenlieder zieht und das Auge nicht mehr ganz schließen lässt seien Kontraindikationen. So ja auch der andere Okkularist. Glasschale würde zwar Hornhaut vor dem Augenlidschlag schützen aber passt nicht zwischen Auge und Augenlid (bei mir). Die Idee ist also definitiv vom Tisch.

Beweglichkeit nach Eviszeration
sei besser, aber nicht durchschlagend besser, als bei Enukleation. Wenn möglich, dennoch besser eine Eviszeration. Ein Arzt sei anwesend und er könne ihn gleich dazuholen um das zu klären. Zunächst klären wir aber noch weitere Okularistenfragen.
Er zeigt mir einige Videos von seinen Kunden und deren Beweglichkeit der Glasaugen. Ich bin erstaunt wie gut das ist! Sehr beruhigend. Er meint auch, das seine Kunden nach dem ersten Jahr (Anpassungsphase der Augenhöhle abgeschlossen) kaum mehr über die Beweglichkeit nachdenken. Beispiel des meist geraden Blickes im Alltag folgte. So langsam kenne ich die Argumente und kann sie nachvollziehen, da er sie zum ersten Mal sehr anschaulich zeigen kann.

Nachfolge OP's und trockene Glasaugen?
Über nachträgliche Op´s wegen immer wiederkehrenden Fettumverteilungen, wie vom Jungen Arzt der Uni-Köln vorgetragen, kann er nur verstört gucken. Ebenso über die trockenen Glasaugen, als Standard. Er meinte, das das zwar vorkommt aber eher selten sei. Ich solle nicht so sehr auf die Uni-Ärzte hören, da diese immer nur die Menschen sähen, bei denen etwas nicht passt und die deswegen dort Hilfe suchen. Die meisten wären aber bei ihm seit Jahren oder Jahrzehnten Kunden und würden nie die Uni von innen sehen. Das würde die Wahrnehmung der Uniärzte etwas verschieben.
Und ansonsten wären die Tropfen zum morgendlichen Zähneputzen und evtl. zwischendurch ja locker in den Tagesablauf ein zu bauen. Schließlich tropfe ich ja auch jeden Morgen mein Atropin. Er hat Recht, denke ich.

Blind aussehendes Glasauge?
Ein Glasauge nach meinem blinden Auge hatte er noch nie als Anfrage. Er würde vor einer Op ein gutes Foto vom Status Quo machen. Dann könne man sich immer wieder daran orientieren. Evtl. könnte man die doch auffallend starke Aderbildung mindern, die schlierige Oberfläche manch anderem blinden Auge ähnlicher machen und so ein sogar "hübscheres" blindes Auge nachstellen? Ich meinte er habe voll und ganz verstanden, was ich mir vorstellen kann und das das dann das Auge wäre, wie es noch vor fünf Jahren war, ohne die extreme Veräderung und mit einer hübsch gleichmäßigen blaugrauen Verkalkung. Falls sich das Glasauge nicht mitbewegt würde jeder sofort wissen: Blind, anderes Auge anschauen... . An der Stelle also wieder Bingo, aus meiner Sicht!

Der Arzt kommt hinzu
Immerhin der Chefarzt der Uni Köln, der auch operieren würde. Da bin ich sehr überrascht, positiv.

Eviszeration
bei mir sei ausgeschlossen. Da ich Silikonöl im Auge habe, das sich nich 100% entfernen liesse könne dieses zu Problemen nach der Eviszeration führen. Es gäbe Chirurgen, die das dennoch machen, er hielte das führ einen fahrlässigen Kunstfehler mit hohem Entzündungsrisiko, das sich dann schnell als gefährlich für das gesunde Auge zeigen würde. Die Beweglichkeit sei zwar bei einer Enukleation etwas, ein wenig, schlechter aber das sei kein Grund um sich dennoch für eine Eviszeration entscheiden zu wollen, nicht bei meiner Vorgeschichte.
So sei auch die dreifache Cryobehandlung schlecht für die Lederhaut gewesen, die doch auch schon sehr in Mitleidenschaft gezogen wurde. Daher auch die starke Aderbildung. Das könne ebenfalls zu Entzündungen der erhaltenen Lederhaut führen. Kein guter Gedanke, auch wieder in Hinblick auf das gesunde Auge. Eviszeration als Altrnative ist somit auch vom Tisch.

Bliebe die Enukleation mit Korallenimplantat
Das danach immer mal wieder operiert werden müsse sei extrem unwahrscheinlich. Was der junge Arzt an der Uni sagte sei so nicht richtig. Auch das mit den notwendigen Tränenflüssigkeiten eher selten der Fall. Auch er gab das Beispiel der Uni-Ärzte, die immer nur die schlimmen Fälle sähen, nicht aber die zahlreichen Beispiele die beim Okularisten einfach zufrieden seien und gut versorgt werden ohne einen weiteren Chirurgen zu benötigen. Er entschuldigte sich sogar, denn der junge Arzt sei neu und käme von einer anderen Uniklinik und sei erst kurz in Köln. Er kenne ihn gut und er sei sein Cheff :-)
Ich bin begeistert, das ich tatsächlich mit einem Cheffarzt der Uni-Köln reden kann, völlig ohne Zeitdruck, während ein Okularisten daneben sitzt und ich doch eigentlich nur mit ihm reden wollte. Was für ein Glück, das es das in Köln so gibt.
Schmerzfreiheit sagt er mir nach der OP zu. Komplikationen könnten immer auftreten, seien aber immer gut im Griff zu behalten. Selbst in meinem Fall, wo Narben stark zu Schrumpfungen neigen. Es könne sein, das meine durch die Croytherapieen in der Vergangenheit beanspruchte Bindehaut, die über das Implantat gelegt würde, zicken macht und evtl auf geht. Dann gäbe es aber noch wenigstens drei Alternativen, wie das in den Griff zu bekommen sei. Ich bin sehr beruhigt.
Die Idee des blinden Glasauges, sofern der Okularisten das hin bekommt kann auch er sehr gut nachvollziehen und Unterstützt das. Ich hätte mich sehr gut angenommen und die Veränderung meines Aussehens (zurück zu "normal") als auch das Problem der Beweglichkeit würde er auch sehen oder zumindest nachvollziehen. Auch hier also Bingo.
Auch meinte er, das eine weitere Abrasion, also Kalkentfernung, noch mal möglich sein könnte, weitere Untersuchung müsste man aber abwarten. Aber es sei auch nur ein Aufschieben und die Hornhaut würde danach ohnehin wieder langsam aber doch verkalken. Letztlich würde ich früher oder später ohnehin wieder schmerzen bekommen und dann sähen wir uns eben später wieder. Entscheidung liegt bei mir und ich bin frei in dieser Entscheidung. Er würde machen, was der Patient für sich entscheidet. Empfehlen möchte er nichts, schlicht um mich nicht unter Druck zu setzen. Dafür sei es zu wichtig. Bingo. Was n toller Arzt. Was n tolles Gespräch.

Schau mir in die Augen
Auch haben beide die Idee, das es gut sein könnte einfach einen Patienten kennen zu lernen, der ein gutes, mittelmäßig bewegliches Glasauge hat um den kennen zu lernen. Termin ist gemacht!

Ich bin sehr erleichtert. Alle Optionen die unmöglich sind, sind ausgeschieden.
Alle Fragen geklärt. Selbst bei Komplikationen nach einer Enukleation gibt es gute und sichere Lösungen und Alternativen.

Derzeit hat sich meine Entscheidung, entgegen zu gestern, zu 70% für Enukleation mit Korallenimplantat und zu 30% für Abwarten und noch mal Abrasio, gedreht. Ob letztere möglich ist klärt sich aber erst im Juni. Solange muss ich auf einen Untersuchungsbereich in der Augenabteilung der Uniklinik warten.

PS: Ich habe vergessen zu fragen in wieweit der bei mir fehlende komplette Lidschluss eine Anpassung und Beweglichkeit eines Glasauges erschwert oder verhindert… . Beim nächsten Treffen kann ich da ja noch mal nachfragen:-)

Ich werde weiter berichten.

Lg

Oliver
Akanthamöbe
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Re: Tagebuch einer Enukleation

Beitrag von Akanthamöbe »

Hallo Oliver, du kannst ja unterhaltsam schreiben. Danke für deinen Fleiß.

Ich habe auch mein linkes Auge verloren, vorher war es gesund, 100 % Sehkraft. Eine Microverletzung mit anschließender Infektion, die sich sehr schleichend entwickelte. Es begann vor genau 4 Jahren, März 2020. Die Ärzte meinten, ich bräuchte mir keine Sorgen zu machen, das wird schon wieder. Naja, i November 2022 habe ich es auf eigene Initiative entfernen lassen. Nach 9 Krankenhausaufenthalten und davon 7 mit Vollnarkose und Intubation.

Leider habe ich nicht so gute Erfahrungen gemacht wie du mit Ärzten, was Empathie und Aufklärung angeht. Aber das ist jetzt Geschichte.

Ich lasse mein einwandiges (sehr dünnes) Glasauge dauerhaft drin. Die Ärztin, bei der ich zuletzt war, weil mein endgültiges Glasauge nicht gut saß, sagte mir, man nehme das Auge nicht mehr heraus, täglich schon gar nicht. Das irritiere die Tränendrüse und dann hat man das nächste Problem: Trockenes Auge.

Meine Geschichte ist kein Happy End, ich fühle mich schon sehr eingeschränkt, mit dem Aussehen muss ich mich arrangieren. Ich kann mich nicht mehr schminken, das Implantat ist ziemlich nach innen gesackt und ich meine, über der Augenbraue ist meine Stirn auch ein bisschen schief. Lach. Klingt krass, aber ist nunmal so. Schöne Grüße aus dem Norden Deutschlands von einer gleichaltrigen Frau.
Oliver
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Re: Tagebuch einer Enukleation

Beitrag von Oliver »

Hi Akanthamöbe,

das ist ja keine schöne Geschichte! Zumal, wenn es zunächst nach einer Bagatellverletzung klingt, die sich dann so entwickelt hat! Und dann noch zahlreiche OP's... . Aber ich glaube, das es hier viele gibt mit ähnlichen OP-Geschichten... . Man versucht ja dann doch alles... .

Ich habe im laufe der Jahre auch zahlreiche OP's hinter mich gebracht. Ich habe aber nach Nr. 13 aufgehört zu zählen ;-) Und gerade in den frühen Jahren, ich war ja gerade noch Teenager, da haben mich die Ärzte nicht ernst genommen. Aber ich denke das sich da im laufe der Jahrzehnte hier und da doch so einiges auf den Chefetagen getan hat :-)
Aber evtl. bin ich auch einfach etwas abgebrühter geworden. Vor 30 Jahren war eine Cryo (Vereisung einiger Zellen im Auge) geplant. Der damalige Chefarzt schaut mich nach allen möglichen Voruntersuchungen der Assistenzärzte kurz an. Legte die zu vereisenden Stellen aus dem Handgelenk fest, von denen ich wusste, das diese aber schon mal in vorigen OP's bearbeitet wurden und das es dort nichts mehr zu vereisen gibt, und damit einer OP wohl kein Erfolg beschieden würde. Darum fragte ich ihn, wie er auf genau diese Stellen gekommen sei, völlig offen in der Erwartung einer Antwort. Evtl. habe ich, als völliger Laie in diesen Sachen, eine falsche Vorstellung, dann könnte er mich aufklären. Andererseits gäbe es die Möglichkeit eine erfolglose OP zu verhindern.
Seine Reaktion war, das er sich vor mir (ich sass) aufbaute, einen Fuss auf die Stuhlkante in meinem Schritt stellte, sich zu mir runter beugte, ich war ca. 25, seinen Ellenbogen auf sein Knie stemmte und mir sein Gesicht 10 cm vor meine Nase hielt und sagte: "Was soll die Frage? Ich bin hier der Chefarzt. Bezweifelst du etwa das ich weiß was ich tue?"
Ich Antwortete, das ich wüsste, was in dem genannten Segment, bei 9 Uhr, bereits vorher schon mal Vereist worden war und ich mir vorstellen könnte, das es wenig Sinn macht bereits verödete Zellen erneut zu Veröden? Oder stehe ich da etwas falsch?"
Darauf hin brüllte er mich an... . Ich stand auf und ging. Hinter mir eine Armada von Krankenschwestern, die sich für ihren Cheff entschuldigten und mich baten meine Selbstentlassung zu unterschreiben, ich könne doch nicht einfach so gehen. Ich verneinte. Er solle sie selber unterschreiben, der Idiot. Ich ging auf mein Zimmer, holte meine Sachen und ging, hinter mir eine Krankenschwester mit Stift und Papieren zur Unterschrift.
Ich nahm sie, schmiss sie in einen Mülleimer, sie holte Sie wieder raus und flehte mich an. Ich sagte, er könne sie sich sonst wo hin stecken und ich würde ihr raten sich einen neuen Cheff zu suchen, was ich dabei quer durch den Gang schrie. Der Gang war voll von Patienten und Pflegern ;-)
Noch am selben Tag war ich bei meiner Augenärztin, die noch in der selben Woche einen Termin in Köln Mehrheim für mich machte. Dort wurde dann nicht noch mal im 9 Uhr Sektor operiert ;-)

Kurz: Ich kenne auch die andere Seite von Alphamännern die sich für Gott und den Patienten, der hinten am Auge hängt, nicht ernst nehmen. Es gibt aber auch andere. Und nur die lasse ich noch an mich ran... . Ich hoffe, das andere hier sich auch ein Herz fassen und sich schlau und mündig machen, damit solche Geschichten irgendwann der Vergangenheit angehören.

Danke für deinen Hinweis, das Glasauge länger drin zu lassen. Der Hinweis schien wohl früher so nicht gegeben zu werden. Tatsächlich haben die, mittlerweile drei, Okularisten in Köln allesamt den gleichen Rat gegeben, wie so viele andere hier im Forum ja auch. Ich denke, das das rein und raus für mich auch kein Problem sein wird. Und wenn es seltener ist, um so besser, dann ist es auch irgendwann "vergessen".

Du sagst auch, das du dich eingeschränkt fühlst? Weil du ein eingeschränktes Gesichtsfeld hast? Oder weil du kein 3D mehr siehst und Probleme mit dem Abstand einschätzen hast? Oder meinst du es eher in emotionaler Hinsicht? Weil dein Aussehen dir selber nicht zusagt, wie du ja auch erwähnst?
Ich kann mir aktuell nicht mehr vorstellen, wie es wäre, wenn ich jetzt meinen "Unfall" gehabt hätte. Ich glaube mich an mein jetziges Aussehen zu gewöhnen viele mir viel schwerer als damals, mit 10 Jahren. Ich merke ja gerade selber, wie schwer es mir fällt mein sehr gut akzeptiertes Aussehen jetzt noch mal grundlegend zu ändern und was ich für Ängste vor einem schlecht sitzenden oder sehr eingeschränkt beweglichen Glasauge habe ;-)
Ich kann mir daher, glaube ich zumindest, gut vorstellen, das es für dich ein harter Einschnitt sein muss in unserem Alter ein schlechtsitzendes Glasauge dein eigen nennen zu müssen und das du deinem alten Aussehen nachtrauerst!? Mir jedenfalls, der ich einen solchen "Einschnitt" gerade plane, möchte ja auch nicht am Ende "dumm dastehen".
Ich frage mich allerdings, warum du dich nicht mehr schminken kannst? Soll ja für manche Frauen sehr wichtig sein. Aber wieso sollte das mit einem Glasauge nicht mehr gehen? Ich bin gespannt, was du schreibst!?

lg

Oliver
Oliver
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Re: Tagebuch einer Enukleation

Beitrag von Oliver »

Mein neuerlicher Besuch beim Ocularisten

Ich war wieder beim Ocularisten und er hatte für mich eine Treffen mit einer netten Dame von ca. meinem Alter und mit einem Glasauge von "mittlerer Beweglichkeit" ermöglicht. Was für ein Service! Wie nett ist das denn? Ich sage schon mal danke!

Begrüßung
Wie schon beim letzten mal, sehr freundlich, sehr offen und an meinen Namen konnte er sich auch noch erinnern! Der Ocularist stellte mir die Dame vor, nahm selber am kleinen Beistellstuhl Platz und ermunterte mich zu fragen was ich alles wissen wolle.

Vergessene medizinische Fragen
Wie ich hier ja schon letztens schrieb, hatte ich beim letzten Treffen, wohl vor Aufregung, noch nicht alle medizinischen Fragen gestellt die ich hatte. Wie gut lässt sich ein Glasauge an meine Anatomie anpassen. Meine Augenlieder wurden bei dem Unfall von unten nach oben mittig durchschnitten und die Narben schrumpften im laufe der Zeit, wodurch der Lidschluss bis zur letzten Lidkorrektur, nicht mehr ganz gegeben war. Jetzt ist der Lidschluss zwar wieder komplett aber in offenem Zustand ist das Auge immer noch deutlich weiter geöffnet als das gesunde Auge.

Großes Stelldichein
Sofort kam der Chefarzt der Augenabteilung, der für Enukleationen an der Uni Köln zuständig ist, zusammen mit seinem Doktoranden, hinzu. Sowohl der Ocularist als auch der anwesende Arzt berichteten, beide völlig auf Augenhöhe, darüber das eine Absenkung der Augenlieder bei einer Enukleation ein leichtes sei. Lediglich die andere Richtung, das Anheben des Augenliedes sei sehr schwierig aber bei mir ja nicht notwendig. Auch würde die Narbe keinerlei Probleme für ein Glasauge darstellen. Weder medizinisch noch kosmetisch noch für die Anpassung des Glasauges. Bingo.
Was für eine Expertise in dieser kurzfristigkeit und ohne Absprache! Ich bin wieder begeistert.

Aug in Aug
Nachdem das geklärt ist, wieder zurück zum "Glasauge schauen". Die nette Dame setzte sich vor mich und meinte, ich dürfe unverholen in ihr Gesicht schauen und Fragen was ich wolle. Ich habe die Augen verglichen. Dort gibt es keine Probleme ;-)
Das Glasauge kann ich nicht vom gesunden unterscheiden. Und das, obwohl die Iris des "gesunden" Auges auch schon erkrank ist und die Pupille nicht mehr symmetrisch ist und die einzelnen Fasern zum Teil verklebt sind, was ein sehr einzigartiges aussehen mit sich bringt. Zudem hat sie gleich 3 oder 4 Unterschiedliche Augenfarben in den einzelnen Irisfasern. Das ist im Glasauge alles perfekt nachempfunden. Das passt also alles.

Die Beweglichkeit
Auch die beweglichkeit ist im Prinzip ok. Das Glasauge folgt dem Gesunden in einem akzeptablen Bereich. Wir unterhalten uns eine Zeit über dies und das und dabei beobachte ich ihren Blick. Im normalen Gespräch (nun ja, so normal wie es eben ist, wenn man weiß das der Blick beobachtet wird) fällt es nicht auf. Lediglich sehr starke Augenbewegungen zur Seite macht das Glasauge nicht mit.
Hierzu bitte ich sie einfach sehr weit nach links oder rechts zu schauen. Hier fällt es dann schon auf. Das ist aber zu vernachlässigen, wie ich finde.

Leichtes Schielen
Ich habe nur eines festgestellt: Wenn die Dame mich direkt geradeaus anschaut sehe ich sofort, das etwas nicht stimmt. Das gesunde Auge schaut mich direkt an, das Glasauge aber schielt ein wenig nach innen, ein leichter Silberblick. Und das ist es, was ich selber nicht mag. Es sieht "irritierend" aus. Entschuldigung an alle, bei denen das evtl. auch so ist. Das ist es eben, was ich nicht haben möchte. Ich merke schnell, das sie mir direkt von Beginn an in mein gesundes Auge schaut und somit ein fester Blickkontakt entsteht. Sie kann mein blindes Auge ja auch direkt identifizieren.
Ich selber muss anfangs immer wieder rätseln ob sich mich nun anschaut oder verlegen an mir vorbei. Ich finde es zunächst irritierend. Da ich aber weiß, das sie ein Glasauge trägt kann ich sehr schnell feststellen, in welches Auge ich ihr schauen muss, was ich dann auch öfters tue. Dennoch bleibt ein Eindruck von Irritation meinerseits. Ich muss mir immer wieder sagen, das das linke Auge ihr Blindes ist und wenn ich in das gesunde Auge schaue, stelle ich fest, das sie mir nicht Ausweicht sondern mich mit festem Blick anschaut.
Wenn ich nicht wüsste, das sie ein Glasauge trägt würde ich es aber nicht erraten, da das Glasauge als solches für mich nicht von einem Glasauge zu unterscheiden ist. Ich würde dann also immer wieder rätseln ob sie nun einen festen Blick auf mich hat oder sie meinem Ausweicht, da ich immer das Gefühl hätte sie schaue an mir vorbei. Diese Irritation bei meinem Gegenüber würde ich mit einem Glasauge bei meinem Gegenüber nicht auslösen wollen.
Dennoch versuche ich mir meine Irritation nicht anmerken zu lassen und erwähne dies nicht. Ich möchte nicht für Verunsicherung dieser überaus netten Dame sorgen. Evtl. weiß sie aber auch darum und kann gut damit umgehen, jedenfalls macht sie einen überaus selbstbewussten Eindruck. Und im übrigen ist sie auch sehr hübsch ,-)

Konsequenz aus dem Treffen
Glasauge als solches: Super und nicht von einem echten zu unterscheiden!
Beweglichkeit: Sehr akzeptabel und ich sehe dort keine Probleme, auch für mich nicht, der ich wohl an dieser Stelle sehr "empfindlich" bin.
Neuer Aspekt: Schielen: Ginge für mich nicht.
Lösung: Das Angebot eines "schönen" blinden Auges, das von meinem jetzigen Auge ausgeht, mit Blutgefäßen das meinem gesunden Auge entspricht (also wenig gerötet ist als mein derzeitiges blindes Auge) und einer "schönen" blaugrauen Hornhaut, mit weniger Schlieren und Verkalkungen als jetzt, für den Fall, das ich mit dem ersten Glasauge (welches ja nur einige wenige Monate getragen wird) und zunächst dem gesunden Auge nachempfunden würde, nicht zurecht kommen sollte.

Professionalität
Als ich gegen Ende des Treffens kurz zusammenfasse, wo ich gerade stehe und was ich so denke, in wie weit ich derzeitig die Situation einschätze und abwäge zwischen letzten Behandlungsversuch mit dauernden Augentropfen um schmerzfrei zu werden oder Enukleation und die Punkte kurz abwäge, stimmen beide zu und betonen beide, das ich wohl alle Punkte richtig zusammenfassen würde aber die Entscheidung einzig und alleine bei mir läge! Das sie niemanden zu einer Enukleation raten oder abraten würden. Die Entscheidung läge voll und ganz bei mir. Und wenn ich nie Kunde werden würde, so würden sie sich freuen, das es wohl nicht notwendig sei, und die Zeit die sie sich genommen hätten wäre aus reiner Freiwilligkeit geschehen und ich solle mich in keiner Weise beeinflusst fühlen in meiner Entscheidung.
Ich kann diesen Okularisten, zumindest was die Beratung, die Einfühlung, die Offenheit und die Zeit die sie sich nehmen, nur empfehlen. Wenn ich mir in Zukunft einen Ocularisten suchen muss, so bin ich schon fündig geworden.
Mit diesen Worten bedanke ich mich und gehe sehr gut beraten und erleichtert.
Oliver
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Re: Tagebuch einer Enukleation

Beitrag von Oliver »

Kurzzusammenfassung und Prognose

Bester Fall
Derzeit schlägt die Therapie mit täglichen Atropintropfen gut an. Ich habe in den letzten Wochen kaum Schmerzen. Vorgestern eine Stunde im Flugzeug (sehr trockene Luft) ergab dann Abends doch starke Schmerzen und ich konnte kaum schlafen. Aber ansonsten herrscht Ruhe. So lässt es sich aushalten und ich denke im Moment kaum mehr daran.
Es bleibt ab zu warten was der Sommer so bringt. Ich fahre gerne Cabrio und Motorrad. Beides verursachte in der Vergangenheit starke Schmerzen (Hornhaut trocknet aus, trotz Schutzbrille). Sollte es so bleiben wie jetzt werde ich gerne mein blindes Auge behalten. Ich mag es, wie es ist, solange ich keine Schmerzen haben muss.

Zwischenlösung
Im Juni habe ich noch den Termin an der Uni Köln für eine mögliche Operation der Hornhaut am blinden Auge. Eine Transplantation möchte ich nicht, wegen der Imunsuppression und der Tatsache das ich dafür eine Spenderhornhaut benötigen würde, die jemand anderer, der damit evtl. wieder sehen könnte, besser bedient wäre als ich.
Sollte sich eine "Entkalkung" meiner Hornhaut noch einmal machen lassen, so würde ich das machen, sobald die Schmerzen das erfordern. Ist ja nur ein kleiner Eingriff, der beim letzten mal gut geholfen hat, zumindest für ein paar Jahre. Eine Verzögerung einer Enukleation würde schließlich, so habe ich gelernt, für eine spätere Enukleation keine besonderen Komplikationen ergeben.
Also bis Juni abwarten, was die Atropintropfen alleine schon im Sommer für Linderung ergeben und nur wenn es schlimmer wird als jetzt und eine weitere OP nicht möglich sein (weil die aktuelle Hornhaut zu tief verkalkt oder bereits zu dünn geworden sein sollte) möchte ich nicht lange warten und lieber gleich zur Enukleation mit anschließendem Korallimplantat greifen.
Es würde keine Eviszeration werden, da dies bei meinem Auge zu Komplikationen führen könnte (Silikon im Augeninneren als Glaskörprersatz) und ein Risiko für meine gute Sehkraft des gesunden Auges mit sich bringen könnte. Zu Riskant und der Vorteil der besseren Beweglichkeit ist nur minimal.
Dermis Fett ist auch raus, da die Beweglichkeit nicht so gut sei. Aber immer noch eine gute Variante darstellt, wenn ein Korallenimplantat Probleme machen sollte, was bei mir aber sehr unwahrscheinlich sein soll.
Selbst wenn meine in Mitleidenschaft gezogene Bindehaut ein Korallenimplantat nicht gut umschließt oder einreissen sollte, so gibt es noch zahlreiche andere Lösungen, wie mit der Bindehaut umgegangen werden könnte, so die Uni Köln.

Endgültige Lösung
Alle berichten hier, auch der Ocularist und der Chefarzt, das zu oft zu lange gewartet wird und die Schmerzen zu lange ertragen werden. In diesem Falle möchte ich nicht tappen. Dann lieber raus damit und schmerzfrei sein!

Dann gibt es für mich ja den mehrschrittigen Weg mit einem Glasauge um zu gehen:
Erst mal schauen, wie es sich mit zwei "gesund" aussehenden Augen so lebt und wenn ich finde, das mich das "entstellt" dann ein "blindes Glasauge", wie weiter oben beschrieben. Die Klinik, der Ocularist und die Operationsmethode stünden auch schon fest.

Mögliche Copingstrategien
Ich habe schon einmal einen guten Umgang damit gefunden, das ich ein blindes Auge habe, das stark auffällt. Dann kann ich das auch noch mal mit einem im Zweifel auffälligem Glasauge.
Auch als schwuler Mann muss man sich auch von so einigen Standards, die die Gesellschaft an einen Stellt, verabschieden und ich meinen eigenen Weg finden. Als ich mein Coming Out hatte gab es noch die "Schwulen Listen", Bayern war damals noch Vorreiter darin, als HIV ausgebrochen war, um Homosexuellen den Weg in die Verbeamtung unmöglich zu machen und viele andere Schikanen... . Damit musste man damals umgehen und auch das ist mir sehr gut gelungen. Anderssein ist für mich eben normal geworden.
Daher sehe ich einem Glasauge nach meiner umfassenden Recherche recht entspannt entgegen aber warte dennoch so lange es geht, da ich mein gesundes Auge doch schon recht lieb habe ;-)


Ich werde berichten, was der Termin in der Uni-Klinik ergibt und wie sich die Schmerzlage weiter entwickelt und ob dann weitere Schritte anstehen.

Bis dahin: Herzlichen dank an das Forum, speziell an Akanthamöbe für ihre Offenheit am Telefon, sowie die vielen Infos und Anregungen die ich hier im Forum gefunden habe um meine Recherche zu strukturieren und an der richtigen Stelle die richtigen Fragen zu stellen.

lg

Oliver
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